De
In Russland deckte die Kernkraft 2017 mit 202,86 Mrd. kWh fast 19 Prozent des Strombedarfs des Landes. Damit übertrafen russische AKW den Vorjahresrekord um 6,5 Mrd. kWh. energate sprach mit Andrey Rozhdestvin, VizePräsident des russischen Energiekonzerns Rosatom für Westeuropa, über die Gegenwart und die Zukunft der Kernkraft aus Sicht des Staatsunternehmens.
energate: Russland gehört zu den Staaten, die Atomkraft als Schlüsseltechnologie zur CO2-Reduktion betrachten. Wie sicher ist dieser Weg?

Andrey Rozhdestvin: Die Lösung der CO2-Problematik liegt in der Diversifizierung der Energiequellen. Zu einem ausgewogenen Energiemix gehören dabei meines Erachtens sowohl die Erneuerbaren als auch die Kernkraft. Denn diese Ressourcen liefern CO2-freie Energie und nicht als Konkurrenten, sondern als sich ergänzende Energiequellen zu betrachten. Ohne einen langfristigen Verzicht auf die Kohlenwasserstoffe ist eine Dekarbonisierung undenkbar. Denn heute decken Gas- und Kohlekraftwerke etwa 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs ab. Die Erneuerbaren sind schlicht nicht in der Lage diese Menge zu kompensieren. Auch wenn die Effizienz der Erneuerbaren-Anlagen zweifelsohne in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist, sind sie naturgemäß nicht in der Lage die benötigte Grundlast sicherzustellen. Wir sollten dabei auch den Kostenfaktor nicht vernachlässigen, denn von den Energiekosten hängt sowohl der Wohlstand als auch das Wirtschaftswachstum ab. In diesem Zusammenhang bildet die Kernenergie ein Fundament für eine "saubere" Energieversorgung, die stabile Strommengen liefert, zu niedrigen und planbaren Kosten.

energate: Trotz der scheinbaren Vorteile durch CO2-Reduktion bleibt die Frage der ewigen Endlagerung von radioaktivem Material. Inwiefern ist dies gegenüber den künftigen Generationen zu verantworten?

Rozhdestvin: In der Welt gibt es noch keine Technologie, die Energie oder auch andere Produkte herstellt, ohne dass dabei Abfälle entstehen. Es ist dabei wichtig zu verstehen, dass nicht alle radioaktiven Abfälle wirklich Abfälle sind. So bilden die abgenutzten Brennstäbe eine wichtige Ressource, die im sogenannten Kernbrennstoffkreislauf eine wesentliche Rolle spielt. Russland entwickelt derzeit eine einzigartige technologische Basis, die die Wiederverwendung eines wesentlichen Teils des abgebrannten radioaktiven Materials ermöglicht. Mit anderen Worten, wir sind schon heute in der Lage, einen wesentlichen Teil der sogenannten Abfälle in diesen Kreislauf zurückzuführen. Die wichtigsten Elemente sind dabei die modernen Reaktoren, die mit schnellen Neutronen arbeiten. 2016 ging beispielsweise Block 4 des AKW Belojarsk in Betrieb. Im Rahmen von internationalen Forschungsprojekten entwickeln wir bereits weitere Reaktoranlagen "Brest OD-300" und "MBIR", die ebenfalls im geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf agieren.

Bezüglich der Endlagerung von radioaktivem Material verfügt sowohl Russland als auch eine Reihe von den anderen Staaten bereits über effektive Technologien. Diese Lagerung wird auf internationaler Ebene streng überwacht, beispielsweise mittels der Konvention über die sichere Behandlung abgebrannter Brennelemente und ihrer Entsorgung. Russland erfüllt alle Vereinbarungen dieser Konvention. Abgesehen davon, sehe ich persönlich die Frage der globalen Klimaerwärmung als eine größere Herausforderung für die kommende Generationen. Die radioaktiven Abfälle haben bei einer richtigen und sicheren Lagerung keinen negativen Einfluss auf das Klima.

energate: Welche Rolle spielt der europäische Kernenergiemarkt für Rosatom?

Rozhdestvin: Rosatom sieht Europa als einen der wichtigsten Partner im Bereich der Kernkraft. Der EU-Markt ist für uns nach wie vor der größte Abnehmer. Wir setzen derzeit AKW-Projekte in Finnland und Ungarn um - in diesen Ländern sind unsere Reaktoren schon seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz. In viele europäische Staaten liefert Rosatom natürliches Uran sowie angereichertes radioaktives Material. In Zusammenarbeit mit dem französischen Konzern Areva stellen wir Kernbrennstoff für die AKW in Großbritannien, Deutschland, in der Schweiz und in den Niederlanden her. Unsere deutsche Tochter Nukem Technologies realisiert weltweit zahlreiche Kernkraft-Projekte und ist unter anderem an der Außerbetriebnahme des Kraftwerks Philippsburg und des AKW Ignalina in Litauen beteiligt. Im Bereich Forschung und Entwicklung beteiligen wir uns aktiv an der Entwicklung des Iter-Projekts.

Quelle: https://www.energate-messenger.de/news/187030/rozhdestvin-keine-technologie-kann-energie-ohne-abfaelle-herstellen-
Source: Energate