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Sicherere Atomkraftwerke sind im Kampf gegen den Klimawandel gefragt, meint die "Nuclear Pride Coaltion"

Gefährlich, teuer, unsicher: Der Ruf der Kernenergie ist nicht erst seit Fukushima ramponiert. Angesichts der Erderwärmung werden nun Stimmen lauter, die eine Renaissance der Kernenergie befürworten.

Neue, sicherere Atomkraftwerke (AKW) seien "ein Hebel zur Reduzierung des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes", sagen Exponenten einer Bewegung, die ihren Ausgang in den USA genommen und sich im Herbst zur "Nuclear Pride Coalition" zusammengefunden hat.

Vor dem Hintergrund der Klimakonferenz im polnischen Katowice streicht man auch bei Rosatom in Moskau die Vorteile der "sauberen" Stromproduktion in AKWs heraus und verweist auf Fortschritte in der Entwicklung neuer Brennstoffe. Der staatliche russische Atomkonzern forscht wie andere Unternehmen in den USA, Frankreich und Asien auch an "fehlertoleranten" Brennstoffen. In rund einem Jahr soll der Brennstoff marktreif sein.

"Das Besondere daran ist, dass im Fall einer Havarie im Reaktor eine Reaktion der Brennstoffhüllen mit heißem Wasserdampf und die Freisetzung von Wasserstoff verhindert wird", sagte ein Sprecher von TWEL dem STANDARD. TWEL ist eine Tochter von Rosatom, spezialisiert auf atomare Brennstoffe.

Die Menge an tolerantem Brennstoff, die für den Betrieb von AKWs erforderlich sei, werde "nahezu dieselbe wie heute sein". Genauere Angaben zum Preis des neuen, sichereren Brennstoffs wollte man in Moskau nicht machen. Der spezifische Preis hänge "von der gewählten Kombination von Baumaterialien für die Brennelementehülle sowie von der Kraftstoffzusammensetzung ab". Es sei aber "wahrscheinlich, dass toleranter Kernbrennstoff teurer als herkömmlicher" sein werde.

Viele neue AKWs im Bau

Nach dem Erdbeben vor der japanischen Küste im März 2011, dem darauffolgenden Tsunami und der dreifachen Kernschmelze im Atomkomplex in Fukushima wurden weltweit Anstrengungen unternommen, einen Ersatz für Zirkaloy als Brennstabhülle und für Uraniumdioxid (UO2) als Brennstoffmaterial zu finden. Während in Deutschland als unmittelbare Folge von Fukushima der definitive Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde, gehen andere Länder andere Wege.

Weltweit sind derzeit 58 neue AKWs im Bau, davon allein 19 in China und ein knappes halbes Dutzend in Indien. Auch wenn einige der laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) global in Betrieb befindlichen 447 Atomblöcke in den nächsten Jahren außer Betrieb gesetzt werden dürften, wird die gesamte Kernkraftleistung nach Einschätzung der Organisation in den kommenden Jahrzehnten leicht ansteigen. 2017 wurden zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder mehr als 2500 Terawattstunden Strom mittels Kernspaltung produziert (siehe Grafik), ein Anteil von 10,5 Prozent an der Weltstromproduktion.

(Günther Strobl, 5.12.2018) - derstandard.at/2000093144588/Russischer-Konzern-versucht-die-Kernenergie-aus-der-Schmuddeldecke-zu-holen